Interview mit Judoka Binta Ndiaye

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  • Geburtstag: 4. Oktober 2004
  • Wohnort: Le Mont-sur-Lausanne
  • Die 3 grössten Erfolge
    • Juniorenweltmeisterschaft 2021: 3. Platz
    • Europameisterschaft Cadets U18 2021: 1. Platz
    • European Cup Cadets 2021: 1. Platz.


Du betreibst Judo seit deinem siebten Lebensjahr. Wie bist du zu diesem Sport gekommen?

Als ich 6 Jahre alt war, bin ich mit meinen Schwestern in Lausanne schwimmen gegangen. Da sich das Schwimmbad im selben Gebäude wie das Dojo des Judo Kwai Lausanne befand, sah ich jedes Mal, wenn ich mein Schwimmtraining beendete, Judokas beim Training. Ich hatte sehr schnell Lust, diesen Sport auch einmal auszuprobieren. Also habe ich meine Mutter gefragt, und sie hat zugestimmt, und ich bereue diese Entscheidung in keiner Weise.


Welche Bedeutung hat Judo in deinem Leben und wie beeinflusst dich der Sport in deiner persönlichen/privaten Entwicklung?

Judo ist ein Sport, der uns viele Werte vermittelt. Ich denke (und hoffe), dass ich diese Werte auf den Tatamis und auch ausserhalb mit mir trage. Es gibt acht ethische Grundsätze im Judo: Respekt, Ehre, Mut, Aufrichtigkeit, Bescheidenheit, Selbstbeherrschung, Ehre und Freundschaft. Judo vermittelt mir viele positive Dinge, insbesondere Freundschaften. Es ist ein Sport, bei dem man sehr viele Dinge miteinander teilt. Obwohl es ein Einzelkämpfersport ist, braucht man gute Trainingspartner, um Fortschritte zu machen. 


Was war für dich dein schönster Erfolg und wie hast du dich danach gefühlt?

Ich würde sagen, dass mein grösster Erfolg mein Titel als U18 Europameisterin ist. Das war ein sehr emotionaler Moment für mich. Ich hatte mich gut auf den Wettkampf vorbereitet und fühlte mich am Tag X startbereit. Meiner Meinung nach ist das Gefühl, bereit zu sein, wenn man zu einem Wettkampf kommt, das wichtigste Element, um mit Selbstvertrauen in den Tag zu gehen. Ich fühlte mich den ganzen Tag über sehr gut. Ich konzentrierte mich auf jeden einzelnen Kampf, einen nach dem anderen, vom ersten bis zum Finale. Im Finale haben mich viele Leute angefeuert, sogar Zuschauer aus anderen Nationen, und das hat mich noch mehr motiviert, den Titel zu holen. 


Wie oft trainierst du, wie sieht deine Woche aus? 

Ich trainiere 8-9-mal pro Woche.

Montag: Randori am Abend

Dienstag: Technik am Nachmittag/ Technik und Randori am Abend

Mittwoch: Technik am Nachmittag/ Randori am Abend

Donnerstag: Technik am Nachmittag/ Technik und Randori am Abend 

Freitag: Randori am Abend

Samstag: Regeneration (leichtes Training, Stretching, Spa, ...)

Sonntag: Ruhetag

Ich trainiere dreimal pro Woche in Yverdon im nationalen Stützpunkt für Randori-Training, die restlichen Trainings finden in meinem Club in Lausanne statt.  


Wie viel Unterstützung erhältst du von deinem Umfeld bzw. deiner Familie?

Ich schätze die Hilfe meiner Familie sehr. Meine Familie unterstützt mich finanziell und auch moralisch. Sie verfolgt meine Kämpfe an Wettkämpfen und feuert mich sehr an. Ich bewahre mir eine gewisse Unabhängigkeit in Bezug auf Judo. Meine Familie mischt sich fast nie in meine Entscheidungen ein, was ich als positiv empfinde. 


Besuchst du eine Sportschule?

Ich besuche derzeit das zweite Jahr des Gymnasiums in Lausanne am Sportgymnasium Auguste-Piccard. Ich habe also einen reduzierten Stundenplan, was mir erlaubt, am Nachmittag zu trainieren. Ich denke, ich habe ein gutes Gleichgewicht zwischen dem Studium und dem Judo.


Was gefällt dir besonders am Judo?

Ich mag alles an diesem Sport. Es ist ein sehr vielseitiger Sport, bei dem man nicht nur technisch, sondern auch körperlich stark sein muss. Beim Judo kann eine entscheidende Aktion den Kampf im Sekundenbruchteil verändern, und das macht auch die Schönheit dieses Sports aus. Bei Wettkämpfen kommt es nicht selten vor, dass ein auf dem Papier weniger starker Judoka einen anderen, erfahreneren Judoka besiegt. Man sollte sich also immer vor Augen halten, dass alles möglich ist, und man gegen jeden gewinnen kann. Eine weitere Sache, die ich am Judo schätze, ist, dass jeder sein eigenes, einzigartiges Judo hat. Selbst wenn man sich von den Techniken anderer Judoka inspirieren lässt, hat jeder seine eigene Prägung, seinen eigenen Stil. Da es sehr viele verschiedene Techniken gibt, gibt es unendlich viele Möglichkeiten. Ich schätze auch die Judo-Gemeinschaft sehr, die im Allgemeinen positiv und wohlwollend aufgestellt ist.


Welches ist dein grösstes Ziel? Und welches dein nächstes Ziel?

Mein grösstes Ziel sind die Olympischen Spiele. Ich strebe die Spiele in Paris 2024 und Los Angeles 2028 an. Ich denke, es ist wichtig, in die Zukunft zu blicken, aber es ist auch wichtig, sich kurz- und mittelfristige Ziele zu setzen, damit man sich nicht in Gedanken verliert und sich weiterentwickelt, ohne Schritte zu überspringen. Meine kurzfristigen Ziele sind, einen Europacup in der U21 und eine Medaille in einem Elitewettbewerb zu gewinnen.


Von welchen Sponsoren und Ausrüstern wirst du unterstützt? Und in welcher Form?

Im Moment werde ich noch nicht von einem Unternehmen unterstützt, aber ich suche aktiv nach Sponsoren. Dafür werde ich von der Schweizer Sporthilfe, dem Kanton Waadt und der Stadt Lausanne unterstützt. Eine finanzielle Unterstützung, mit der ich einen Teil meiner Ausgaben im Zusammenhang mit dem Judo decken kann. 


Empfindest du Judo als einen von Männern dominierten Sport und wenn ja, musst du dich als Frau im Judo besonders behaupten?

Ja, es ist eindeutig ein Sport, in dem die Männer stärker vertreten sind (es gibt etwa dreimal weniger Frauen). Das war schon immer so, also habe ich mich daran gewöhnt. Manchmal bin ich die einzige weibliche Trainingsteilnehmerin und merke es nicht einmal. Es ist mir beim Training egal, ob es mehr Mädchen oder mehr Jungen gibt, ich trainiere auch gerne mit den Jungs. Aber es stimmt schon, dass man sich unter Frauen manchmal besser versteht und es tut gut, starke Frauen zu sehen und sie als Vorbild zu haben. Als ich jünger war, hat man mir manchmal gesagt, ich solle nicht Judo machen, weil das etwas für Jungs sei. Heute bin ich froh, dass ich nicht auf sie gehört habe und weitermachte. 


Was möchtest du anderen jungen Judoka mit auf den Weg geben?

Ich würde sagen, dass es wichtig ist:

1. Spass an dem zu haben, was man tut, egal, wofür man sich entscheidet.

2. Sich mit den richtigen Leuten zu umgeben.

3. Sich die Mittel zu erarbeiten, um seine Ziele zu erreichen.

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