Das Turnier, an dem es keine Verlierer gibt

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Karate für Kinder: Am vergangenen Sonntag, 4. Juni 2023, fand im aargauischen Berikon die neueste Ausgabe des 6K-Events statt. Die Nachfrage nach diesem Kindersport-Anlass, der karate-spezifische, polysportive und kognitive Workshops vereint, hat in den letzten Jahren stark zugenommen. Mit 90 Anmeldungen war das Turnier der etwas anderen Art erneut ein Erfolg. Was den 6K-Event schweizweit einzigartig macht und welche soziale Bedeutung das Turnier hat? Wir haben mit Olivia Derungs Risch, der Gründerin des 6K-Events und J+S-Expertin, gesprochen.

Zweimal im Jahr treffen sich junge Karatekas zu einem Turnier der besonderen Art. Aus allen Ecken der Schweiz strömen verschiedene Dojos mit ihren Karate-Kids, dieses Jahr fast 90 an der Zahl, in Richtung Aargau. Es geht für die Kinder zum 6K-Event, einem Kindersport-Anlass, der in Zusammenarbeit mit der Swiss Karate Federation organisiert wird. Der interdisziplinäre und ganztägige Anlass vereint unterschiedliche Dojos, Karatekas, Schwerpunkte und Graduierungen in verschiedenen Workshops. Die Teilnehmenden werden bewusst in kleine Gruppen eingeteilt, ohne dass sie sich bereits kennen - unabhängig von ihren sportlichen Fähigkeiten oder ihrem Alter. Lediglich drei grobe Untergruppen werden erstellt, um das Altersgefälle nicht zu extremen (physischen) Unterschieden führen zu lassen. Mit dieser bunten Durchmischung soll gezielt die Sozialkompetenz und das Zusammengehörigkeitsgefühl der Kinder gefördert werden, eingebettet in einen sportlich-spielerischen Rahmen.

K für Köpfchen

Natürlich ist die Idee dahinter von Olivia Derungs Risch und ihrem Helferteam konzeptionell durchdacht, ebenso wie die Gestaltung des Programms: Die 6 K’s stehen für unterschiedliche Disziplinen, die die Kinder im Verlauf des Nachmittags absolvieren dürfen: Kumite, Kata, Koordination, Kraft, Kondition und Köpfchen. So werden die Karatekas polysportiv, karate-spezifisch und kognitiv gefordert und gefördert. Das Programm wurde gemäss der Dojo-Leiterin nach den J+S-Kindersport-Kriterien entwickelt und beinhaltet verschiedene Aufgaben. Am Vormittag erleben die Kids in Form verschiedener Workshops diverse polysportive Aktivitäten und Spiele. Bei einem anschliessenden gemeinsamen Mittagessen kommen die Teilnehmenden zudem auf ihre kulinarischen Kosten und der soziale Austausch wird intensiviert. Der Nachmittag hat dann eher Wettkampf-Charakter, wo die sechs K-Disziplinen in jeweils bunt durchmischten Dreiergruppen absolviert werden.

Der pädagogische wertvolle Aspekt des 6K-Events ist erstaunlich, so Derungs Risch: «Es ist wirklich schön und interessant zu beobachten, wie gross das Lernfeld für die Kinder und Jugendlichen an diesem Tag ist.» Einerseits kommen die Teilnehmenden in Gruppen mit anderen Kindern zusammen, die sie (noch) nicht kennen – sie kommen also bereits früh aus ihrem gewohnten Umfeld heraus "und müssen lernen, sich in der anfänglich noch unbekannten Konstellation zurechtzufinden." Andererseits sehen die Kids, dass es nicht realitätsgetreu ist, immer nur zu verlieren oder nur zu gewinnen. «Die Kinder verstehen, dass es in gewissen Situationen viel wichtiger ist, als Team zu funktionieren, als immer nur zu gewinnen.» Das Erlernen dieser und weiterer Kompetenzen gehört zum 6K-Event genauso dazu wie der Spass und die Unterhaltung. Obwohl am Ende des Sport-Anlasses ein Podestplatz erreicht werden kann, erhalten alle Karatekas am Ende des Tages genau den gleichen Preis: einen Pokal, der ihre Leistung auszeichnet und als Erinnerung für den Tag gilt.

Kein klassisches Turnier

Der kompetitive Ansatz wird trotz der sozialen Faktoren nicht ausser Acht gelassen, denn dieser sei wichtig. «Gerade bei den älteren Kindern werden die Ambitionen durch die unterschiedlichen Workshop-Formen geweckt», erwähnt die J+S-Expertin. Der Wettkampf findet jedoch auf eine andere Art und Weise statt. Das Besondere ist das Miteinander, obwohl eine Wettkampfsituation stattfindet. Im Unterschied zu klassischen Turnieren, bei denen die Teilnehmenden ihre Kämpfe absolvieren und sobald sie ausscheiden, den restlichen Tag auf den Abschluss bzw. die Siegerehrung warten, sind alle Kämpferinnen und Kämpfer beim 6K-Event den ganzen Tag aktiv, sei es körperlich als auch mental. Mit der Struktur des Programms wird bewusst vermieden, dass der Anlass eine allzu hierarchische Philosophie verfolgt.

Eine weitere Besonderheit liegt darin, dass die Veranstaltung eine Mischung aus sportlichem Wettkampf, Familienanlass und Sozialprojekt darstellt. Ehemalige Teilnehmende, die die Altersgrenze bereits überschritten haben, werden als Helfer-Team eingesetzt. «Diese sind zum Teil richtig stolz, wenn sie den Jüngeren nun helfen können und eine Position mit Verantwortung wahrnehmen dürfen», meint Derungs Risch. Dies verleiht dem Ganzen einen speziellen, organischen Zyklus durch die Beteiligung von ehemaligen Teilnehmenden. Auch die Eltern der Kids werden miteinbezogen. Denn mittlerweile erkennen immer mehr Erwachsene, wie wichtig solche Anlässe sind. Die gesellschaftliche Bedeutung von Kampfkunst und Kampfsport ist mittlerweile auch bei den Schulen und Ärzten bekannt, erwähnt Derungs Risch auf die Frage, wie wichtig ihrer Meinung nach solche Anlässe für die Gesellschaft sind. «Eine weitere Idee, die wir momentan ausarbeiten, ist solche Kampfsport-Anlässe auch für Jugendliche und Erwachsene anzubieten.» Wichtig ist aber auch, dass gerade bei den Jungen die Begeisterung gegenüber dem Karate und allgemein gegenüber dem Sport aufrechterhalten werden kann.

Eine persönliche Anekdote zum 6K-Event? «Was wirklich auffällig ist, dass die Kinder den ganzen Tag lang lachen. Sie sind ohne den Druck, dass sie gewinnen müssen. Aber nicht nur die Kids lachen, sondern auch die stolzen Eltern.» Das Wichtigste ist, dass gemeinsam ein interessanter und unterhaltsamer Tag erlebt werden darf. Auf der Basis des Karates, aber vermischt mit anderen Sportarten. Und dabei können die jungen Karatekas noch etwas lernen. «Ganz nach dem Credo des J+S-Kindersports: Lachen - Lernen - Leisten.»

Autor: Lino Dörig

Posted in: Kampfsport Insights