Die Bedeutung von Kampfsport für die Gesellschaft

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Kaum eine Sportart kann sich einer so traditionsreichen und langen Historie erfreuen wie Kampfsport, besonders diejenigen asiatischen Ursprungs. Standardisierte Kampftechniken lassen sich bis zu mehreren tausend Jahren zurückverfolgen, wie dies die ältesten Hinweise belegen. Bereits damals beinhaltete die Ausübung von Kampfkunst bzw. -sport nicht nur körperliche Verteidigungstechniken, sondern stellte ebenso ein Zusammenspiel von philosophischen Konzepten, moralischen Tugenden und gesellschaftlichen Werten dar. Rund viertausend Jahre später ist die gesellschaftliche Bedeutung von Kampfsport unbestritten: Eine Auseinandersetzung mit der gesellschaftlichen Relevanz des Kampfsports.

Jiu-Jitsu, Muay Thai, Judo, Karate – die Liste der Kampfsportarten ist lang: Mehr als 100 verschiedene Praktiken sind anerkannt. Lange vor dem heutigen Stellenwert wurde Kampfsport oder -kunst als einen Weg angesehen, moralische Tugenden in der Gesellschaft zu verbreiten und ein soziales Miteinander zu verbessern. Werte wie Ehre, Loyalität, Mut, Gerechtigkeit, Ehrlichkeit und Höflichkeit stellten die Säulen der Philosophie dar und waren ein fester Bestandteil der Kampfkunst-Kultur. Dass weitere Komponenten bei der Ausübung eine Rolle spiel(t)en, wie etwa die Stärkung der eigenen psychischen Verfassung, ist mittlerweile unumstritten. Diverse Untersuchungen und Publikationen belegen dies. Wie sieht es im 21. Jahrhundert aus? Welche positiven Auswirkungen werden dem Kampfsport ausserhalb des Sports zugeschrieben oder anders gesagt: Welchen Einfluss hat Kampfsport auf die heutige Gesellschaft? 

(Anm. des Verfassers: Der Einfachheit halber wird in diesem Blogbeitrag zusammenfassend von Kampfsport gesprochen, wobei unterschiedliche Kampfsportarten, -künste, und -techniken gemeint sind.)

 

Kraftvolle Wirkung

Wer jemals an einem Kampfsporttraining teilgenommen hat, weiss, wie anstrengend dies sein kann. Vom Aufwärmen, über technische Einheiten bis hin zu Sparring: Der Körper wird ganzheitlich beansprucht, unterschiedliche Übungen stärken Kraft und Ausdauer. Doch die Förderung weiterer Komponenten wie Flexibilität, Reflexe, Koordination und Balance ist mindestens genau so ein grosser Bestandteil des Trainings. Denn bei Kampfsport geht es um mehr als «nur» Kraft. Die holländische Neurologin Gaby Pons van Dijk konnte in wissenschaftlichen Untersuchungen nachweisen, dass regelmässiges Kampfsporttraining die «Körperintelligenz» verbessert, da die Konnektivität zwischen dem Kleinhirn, dem Frontal- und Scheitellappen verbessert wird. Für’s Verständnis: Das Kleinhirn ist verantwortlich für die motorischen Fähigkeiten eines Menschen, der Frontallappen für kognitive Fähigkeiten (wie Sprache, Gedächtnis oder Urteilsvermögen) und der Scheitellappen für die Verarbeitung von (externen) Impulsen und Informationen.

Nun, wenn diese Komponenten allesamt gestärkt und deren Abstimmung untereinander verbessert wird, ist zu erahnen, welche umfassenden Auswirkungen ein Training auf die Physis und das körperliche Allgemeinbefinden haben kann. Wie es auch bei anderen Sportarten der Fall ist, führt die Stärkung der körperlichen Verfassung und der Verbesserung der Gesundheit zu einem aktiveren und gesünderem Lebensstil. Eine gesündere Gesellschaft trägt zu einer Verringerung der Krankheitslast bei und senkt die Gesundheitskosten insgesamt. Nicht zuletzt beinhaltet Kampfsport effektive Techniken zur Selbstverteidigung. Dies ermöglicht es den Menschen, ihre Grenzen besser kennenzulernen, sich sicherer zu fühlen und sich in gefährlichen Situationen besser zu schützen. Der individuelle Mehrwert, der durch die Entwicklung von physischen Fähigkeiten und der Steigerung der körperlichen Verfassung generiert wird,  liegt auf der Hand. Neben den physischen Faktoren, spielt eine weitere Facette des Kampfsports eine grosse Rolle, der oft zu wenig Beachtung geschenkt wird: Denn neben Kraft, Koordination und Ausdauer wird auch der Kopf trainiert.

 

Mentale Stärke durch Training

Untersuchungen haben gezeigt, dass regelmässiges Kampfsporttraining ähnliche Effekte auf die psychische Verfassung bewirken kann wie etwa medikamentöse Behandlungen oder Psychotherapien. Erklärt wurde dies, dass man bspw. durch Partnerübungen gezwungen ist, im Hier und Jetzt zu sein, was positive Effekte auf das Bewusstsein und die Konzentrationsfähigkeit hat. Durch das Lenken der Aufmerksamkeit auf die aktuelle Tätigkeit, ergibt sich die Möglichkeit, sich auf eine gesunde Art und Weise abzuschalten und sich psychisch zu entspannen. Der Effekt, eine gesunde Auszeit von Sorgen, Problemen oder etwa Ängsten zu haben, hilft festgefahrene Denkmuster und ungesunde Gewohnheiten zu unterbrechen. Kampfsporttraining, wie auch die Ausübung von anderen Sportarten, zeigt nachweislich einen positiven Zusammenhang auf die Hormonproduktion und die Neurotransmitter im Gehirn. Stresshormone wie Cortisol werden abgebaut, während gleichzeitig die Ausschüttung von Endorphinen wie Dopamin und Serotonin erhöht wird. Nicht nur der Körper wird im Training leistungsfähiger, sondern auch die Psyche. Man lernt Disziplin, Durchhaltevermögen zu entwickeln, Rückschläge einzuordnen. Dafür braucht es einen klaren Kopf, Durchsetzungskraft und Willensstärke. Genau so, wie die körperliche Resilienz wächst, steigt auch die psychische. Die (physische und psychische) Belastbarkeit steigt, damit einhergehend das Selbstvertrauen. Darüber sind sich heutzutage Ärzte, Psychotherapeuten und Sportlerinnen einig: Kampfsport kann effektiv zur Bewältigung von Angststörungen, Depressionen, Burnout und unkontrollierter Aggression eingesetzt werden. Apropos: Wie sieht es mit Aggressionsbewältigung aus?

Wer Kampfsport betreibt, ist nicht gleich aggressiv, wie es fälschlicherweise angenommen werden könnte. Kampfsport als Mittel gegen Aggressionsstörungen setzt an mehreren Stellen an. Das harte körperliche Training dient zum körperlichen Auspowern, die im Training geforderte Disziplin hilft, mögliche Aggressionen zu kontrollieren und in geordnete Bahnen zu lenken. Im Rahmen des Trainings steigen die Fähigkeiten, mit der gegenüberstehenden Person respekt- und rücksichtsvoll umzugehen, seine eigene Person einzuschätzen und eine Achtsamkeit gegenüber der Situation zu entwickeln. Kampfsport fördert die Einheit von Körper und Geist. Es stärkt Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen und treibt die Persönlichkeitsentwicklung voran. Durch das Überwinden von physischen Herausforderungen im Training oder im Wettkampf steigert sich das Selbstbewusstsein. Das wiederum fördert die mentale Stärke und führt zu einer Förderung der persönlichen Entwicklung. Diese Reaktion kann Menschen ermutigen, ihre Ziele im Leben fokussierter zu verfolgen. Eine Gesellschaft, in der die Menschen selbstbewusst und mental stark sind, kann eine positive und produktive Entwicklung erfahren.

 

Respektvolles Miteinander

Wie es vor tausenden Jahren vorgezeigt wurde, geht es beim Kampfsport nicht ausschliesslich um den Sieg (natürlich auch), sondern auch um die Achtung vor dem Gegner, um Ehrerbietung, Reflexion und gutes Benehmen. Kampfsport bietet eine Plattform für Menschen unterschiedlicher Hintergründe und Kulturen, um zusammenzukommen und eine Gemeinschaft zu bilden. Das gemeinsame Training und der Austausch von Erfahrungen fördern den Zusammenhalt und die soziale Integration. Indem Menschen gemeinsame Ziele verfolgen und voneinander lernen, entstehen starke Bindungen, die über die Trainingseinheiten hinausgehen und das soziale Gefüge der Gesellschaft stärken. Während des Trainings lernen Menschen, Impulse zu kontrollieren, Regeln zu befolgen und sich auf ihre Aufgaben zu konzentrieren. Diese Fähigkeiten können sich auf andere Bereiche des Lebens auswirken, wie z.B. Schule, Arbeit und zwischenmenschliche Beziehungen. Durch die Beherrschung von Emotionen und den Respekt vor Anderen können (mit Betonung auf können) Menschen so zu einem friedlicheren Zusammenleben in der Gesellschaft beitragen. Zudem stellt die Ausübung einer sportlichen Tätigkeit eine sinnvolle Beschäftigung und Gestaltung der Freizeit dar.

Kampfsport oder -kunst wird oft als einen Weg angesehen, um Selbstverteidigungstechniken zu erlernen. Doch es beinhaltet weit mehr. Kampfsport stellt eine Quelle für persönliches Wachstum und positive soziale Veränderungen dar. Ethische Werte, die im Kampfsport seit jeher einen hohen Stellenwert haben, können ebenfalls im Alltag gelebt werden. Durch die Stärkung der körperlichen Fähigkeiten und der Fitness, der Entwicklung von mentaler Stärke und der Persönlichkeit sowie der Schaffung von Gemeinschaft und sozialer Integration trägt Kampfsport oder -kunst insgesamt einen Teil zu einer positiven und gesunden Gesellschaft bei.

Posted in: Kampfsport Insights